Dienstag, 30. Mai 2017




Das spirituelle Ego

Das Ego ist ein großes Thema geworden. Überall werden wir mit dem bösen Ego konfrontiert, welches es gilt, zu überwinden, wenn man denn ein spirituell bewußter Mensch sein will und dementsprechend leben möchte. Für die spirituelle Welt der neueren Zeit scheint  die Überwindung des Egos das vorrangige Ziel zu sein. 

Dabei fällt mir auf, dass sich gerade ein neues spirituelles, arrogantes Ego breit macht, welches gehegt und gepflegt wird. Viele spirituell Arbeitende zeigen uns mit ganz bestimmten Methoden, wie man sein Ego ablegt. Dabei erliegen sie selbst häufig genau dem, dem sie eigentlich entfliehen wollen, nämlich einem Ego in einem neuem Kleid, dem Gewand des spirituell Erwachten.  Plötzlich finden sie sich in "du musst dies und jenes tun oder unterlassen" oder "das ist richtig und das ist falsch" wieder. 

Viele scheinen sich erhoben zu haben über die, die noch mit ihrem materiellen Ego kämpfen und man wird das Gefühl nicht los, dass sie sich als "weiter" und "heiliger" fühlen. Spirituelle Egos erscheinen gerne im Gewand von Heilern, Lehrern und Ratgebern. Da sind die, die Auren lesen, Krankheiten oder Blockaden erkennen, uns von schlechten Energien befreien und vieles mehr und der einfach gestrickte Ego-Mensch schaut staunend und ehrfürchtig zu ihnen auf und läßt sich einweihen, erlösen und heilen. Ich will damit nicht sagen, dass das alles nur im Namen der Egos geschieht, doch manches Mal ist es schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Denn leider gibt es viele, die sich in ihrer Berufung als spirituell ausgerichteter Mensch verlieren, da sie nicht merken, wie sehr sie eigentlich ihrem Ego aufgesessen sind. Was ja auch nicht verwundert. Schließlich sind wir alle ein Leben lang nach bestimmten Egomustern erzogen worden und sind es gewöhnt, uns zu vergleichen, miteinander zu messen und sind auf Erfolg und Anerkennung getrimmt.  

Einige, die sich berufen fühlen, im spirituellen Bereich tätig zu werden, neigen häufig dazu, sich  immer mehr spirituelle Techniken anzueignen, dazuzulernen, Titel zu erlangen, entweder damit sie nachweislich was anbieten können oder um ihr Selbstwertgefühl zu füttern. Da wird dann nicht eine Ausbildung gemacht, nein, da werden dann zig Seminare, Workshops und Schulungsstätten aufgesucht. Für den spirituell Suchenden mag das ja alles sehr wertvoll und gut sein. Aber unter ihnen befindet sich eine große Anzahl, die sich nur selbst damit beweihräuchern und sich mit noch einer Ausbildung, mit noch mehr angeeignetem Wissen hervortun wollen.

Und die Aussenwirkung ist ja auch beträchtlich, denn wir lassen uns, spirituell hin oder her, davon beeindrucken. Mich schüchtert es immer noch ein, wenn ich auf so mancher Homepage sehe, wie mit mehreren Ausbildungen in noch dazu verschiedenen Bereichen geworben wird und ich fühl mich klein, weil ich nur mit autonom angeeignetem Wissen und Erfahrungen daherkomme. Es typisch für den Egogewöhnten Mensch, sich über nach aussen bescheinigter Leistung zu präsentieren. Kaum jemand, der nicht während seiner spirituellen Reise mal ein Gefühl von Erhabenheit, Stolz oder Auserwähltsein hat. Verständlich, wenn man seine Göttlichkeit in sich entdeckt...dummerweise vergißt der Mensch aber gerne, dass diese Göttlichkeit in jedem und allen steckt. Aber da wir mit unterschiedlichen Talenten und Wissen versehen sind, beginnt der Vergleich und der heimliche Wunsch "was Besonderes" zu sein. Und eh man sich versieht, beginnt damit wieder die Trennung, das urteilen und verurteilen. Ich kann mich da nicht von frei sprechen. Unser Ego macht uns gerne vor beispielsweise sensibler, lieber, toller, weiser, heiliger usw. zu sein. Es benötigt immer wieder bewußter Selbstbeobachtung oder eines äusseren Dämpfers, um dies zu erkennen. 

Es schiessen in den letzten Jahre soviele spirituelle Lehrer, Heiler, Couches, die meist alle mit unzähligen Ausbildungszertifikationen aufwarten, wie Pilze aus dem Boden. Sie wollen alle  einen Platz in der spirituellen Welt  einnehmen und ich werde das Gefühl nicht los, dass sich ein Großteil entweder nur auf einem Selbsterfahrungstrip befindet oder eine neue lukrative Quelle suchen, um selbständig arbeiten und Geld verdienen zu können. Und dabei werden neue Methoden und innovative Techniken ins Leben gerufen, deren Bezeichnungen enorm wichtig und interessant klingen, dass man erstmal große Recherche betreiben muss, um überhaupt herauszufinden, um was es sich da handelt.  

Vielleicht ist es aber auch ein natürlicher Prozess eines spirituell Suchenden auf seinem Weg des Erwachens in die Falle des spirituellen Egos zu tappen, um dieser dann irgendwann geläutert entkommen zu können. Denn umso tiefer der Mensch sich mit seinem Höheren Selbst bewußt verbindet und seiner wahren Natur immer näher kommt, umso weniger wird das Ego noch gebraucht. Aber dieser Abnabelungsprozess spürt das Ego sehr. Und wie reagiert es? Es beginnt sich zu wehren, da es sich keinesfalls aufzulösen gedenkt, jedenfalls nicht kampflos. Es wird sich mit aller Kraft  wieder und wieder melden und nach vorne drängen und uns klarmachen, dass es doch ohne Ego nicht geht und langsam wird das spirituelle Ego geboren und das ist noch cleverer als das alte Ego, denn es ist sehr verführerisch, weil es viel subtiler als das profane weltliche Ego  daherkommt. Es schleicht sich kaum merklich ein, will sich präsentieren und in der spirituellen Szene eine bedeutende Rolle spielen. Der spirituelle Mensch will sich beweisen und zeigen, wie spirituell er ist. Und schon haben wir noch mehr Trennung geschaffen. Das Ego ist das Einzige, das uns vom Einssein trennt, vom wahrem Selbst. 

Ich bin aber zuversichtlich, dass die, die ihrer echten Berufung folgen, egal ob auf spirituellem oder anderem Gebiet, ihrem Ego weniger Chancen bieten, sich übermässig aufzublähen, da der Seelenruf erhört wird. Und  die, die wirklich den Weg der Überwindung des Egos gehen wollen, werden mit genügend Geduld und Achtsamkeit sicherlich solche Fallstricke auf ihrem Weg erkennen und letztendlich wieder entkommen können. Wenn die typischen gewohnten Stützen wegfallen, die Illusion des Egos sich löst, dann erwartet uns das wahre Potenzial des Göttlichen und das kennt keine Grenzen, alles wird plötzlich möglich und das kann uns sehr verunsichern und Angst machen. Diese Angst gilt es auszuhalten, um eine Freiheit zu erfahren, die uns bislang unvorstellbar schien und uns ein Leben ohne Angst möglich macht. 

Hierzu sagte Osho einmal Folgendes:
Der Verstand (Das Ego) ist so schlau, dass er sich manchmal im Gewand seines genauen Gegenteils verbirgt. Von der Völlerei kann er in die Askese gehen; vom Materialisten kann er zum Spiritualisten werden; von einem, der in der Welt lebt, kann er zu einem Jenseitsfanatiker werden. Aber der Verstand ist der Verstand. Ob du für die Welt bist oder gegen die Welt, bleibst du in seinem Käfig eingeschlossen.

Ich glaube, um unserem Ego nicht soviel Spielraum zu geben, ist ein Leben aus dem Herzen heraus immer noch der einfachste Weg, auch wenn wir uns das einfachste meist recht schwierig machen können. Unser Verstand versucht stets alles zu beurteilen, er will immer für oder gegen etwas sein, sucht Erklärungen und kann nichts einfach so hin- oder annehmen. Er impft beständig ein Hin- und Herr in unseren Kopf und fordert Entscheidungen. 

Sein Ego kann man m.E. nicht wirklich ablegen oder gar sterben lassen, wie so oft beschrieben und empfohlen wird. Sicherlich wird es mal mehr oder weniger in Erscheinung treten und umso weiter man in seinem spirituellen Wachstum ist wird es nur wenig bis gar nicht mehr beeinflussen können. Simitra, mein Hohes Selbst sagt, dass es auch gar nicht um das Eliminieren des Egos geht, sondern um dessen Überwindung. Der Mensch lebt in einer dualen Welt, in der das Ego gebraucht wird. Allenfalls wirklich Erleuchtete, wie z.B. ein Guru, der sich aus dem weltlichen Geschehen zurückgezogen hat und seine Erfüllung im Dasein für Gott und seine Jüngerschaft lebt, schaffen das Ablegen ihres Egos, da sie in dauerhafter Verbindung mit ihrer höchsten Instanz in sich sind. 





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